Mail-Freundschaft
Ich gehöre noch einer Generation an, in der man Brieffreundschaften pflegte, Liebesbriefe verfasste, im Schreibwarenladen ein besonders Papier mit wertiger Anmutung und dazu passenden Umschlägen kaufte und natürlich handschriftlich mit Füllfederhalter schrieb. Und wenn ich so zurückdenke: Bis es ein Brief wirklich schaffte, auf der Post zu landen wurden mindestens 5 Entwürfe zusammengeknüllt dem Papierkorb anvertraut. Selbst die Briefmarke war kein Zufall: Es musste eine Sondermarke sein – ich weiß gar nicht, ob es so was noch gibt. Und wenn ich dann eine Antwort erhielt, konnte ich das beim Öffnen des Briefkastens bereits riechen. Denn die Antwortbriefe dufteten stets nach Lavendel. Ich dachte jedenfalls es müsse Lavendel sein.
Auch heute schätze ich den Schriftverkehr sehr. Natürlich ist es heute eine E-Mail. Aus der Brieffreundschaft wird eine Mail-Freundschaft. Ich brauche immer noch mehrere Anläufe, bis der Brief bzw. die Mail so ist, wie ich mir das vorstelle - was mit dem Computer ja nur ein Klacks ist. Und ich müsste schon arg schwindeln, wenn ich nicht spätestens am übernächsten Tag eine Antwort erwarte. Die Themen haben sich geändert. Auch im erotischen Kontext schreibe ich heute anders. Das liegt natürlich einerseits am Alter, aber nicht nur. Kommunikationsformen unterliegen einfach einem Wandel. Aber trotz allem will ich auch heute noch beim Lesen von E-Mails genießen können und eintauchen in die Gedanken des Mail-Freundes. Es sind ja stets persönliche Zeilen, manchmal fühle ich mich geschmeichelt, manchmal krieg ich eins übergebraten, manchmal werde ich in Zweifel gezogen und manchmal kann ich mich richtig als Held fühlen.
Und hier unterscheide ich mich vermutlich von einigen Vorschreibern. Ich habe nichts gegen Dirty Talk, mag das sogar, aber in der E-Mail erwarte ich, dass das ganz anders verpackt ist, als im Tête-à-Tête. Ich habe auch nichts dagegen, wenn der Schreiber schnell auf den Punkt kommt. Aber das ist dann eher ein Quicky der, wenn’s passt, auch per E-Mail schön sein kann. Meist bevorzuge ich aber den Longy (gibt’s das Wort eigentlich?). Und nein: Eine Mail-Freundschaft dient mir nicht dazu, per se auf ein reales Treffen hinzuarbeiten, den anderen zuerst mit dem geschriebenen Wort flach zu legen um ihn dann endlich real zu erobern. Schreiben und lesen alleine kann bereits ein erfüllendes erotisches Erlebnis sein, so man das zulässt.
Peter